It's very Nice, Yes we Cannes!

Ein Reise- und Wettkampfbericht
November 2011
Nizza / FRA
 
 

Fr, 18.11.  -  03:45 Uhr ist Tagwache.
Unser Flug geht sehr früh in Richtung Südfrankreich, wo ich in Nizza meinen 44. Marathon bestreiten werde. Mit von der Partie sind meine Frau Lilli, Schwester Eva, Dieter Petz (Läuft auch die 42, 195 km) mit Frau Karoline, Elfriede Dohr, sowie Laufcoach Willi Pinter mit seiner frisch angetrauten Frau Lotte Fertschnig, die heute zum ersten Mal einen Flieger besteigt. Um 07:32 Uhr startet die Boing 737/600 der Austrian bei dichtem Nebel. Doch schon nach wenigen Minuten sind wir über den Wolken und genießen einen traumhaften Flug über die Alpen. Nach 84 Minuten landen wir bei 7°C und wolkenlosem Himmel in der Metropole der Coté d´azur. Mit dem Bus Nr. 99 sind es nur wenige Kilometer ins Stadtzentrum. Nach einem kurzen Fußmarsch erreichen wir unser nettes "Hotel Boreal". Wir deponieren das Gepäck und begeben uns auf Entdeckungsreise. Die Sonne hat hier noch immer ordentlich Kraft und heizt die Luft rasch auf. Beim Spaziergang am Meer, auf der noblen "Promenade des Anglais" kommen Frühlingsgefühle auf. Der rund 6 km lange Prachtboulevard ist ein Mekka für Jogger, Inlineskater, Radler und Spaziergänger. Im Freien, bei mittlerweile 17°C, genießen wir einen Cappuccino. Herrlich ! Mit einem kleinen, kostenfreiem Aufzug fahren wir danach hinauf zum "Bolline du Chateau". Von dort oben - 60 m über dem Meer - bietet sich uns ein sensationeller Blick über Nizza bis hin nach Antibes im Westen und auf den Jachthafen im Osten. Beim "Abstieg" über die "Friedrich- Nietzsche-Terrasse" (Er lebte hier 1883-87) bestaunen wir einen großen, künstlichen Wasserfall, der abends sogar beleuchtet ist. Durch viele schmale Gässchen erreichen wir wieder die Altstadt und essen bei "La Mama" köstlich zu Mittag. Derart gestärkt wird uns bewusst, wie gut wir es eigentlich getroffen haben. Mittagessen im Freien, bei Sonnenschein, während man zu Hause im Nebel Trübsal bläst. Um 14:00 Uhr checken wir im Hotel ein. Die Zimmer sind, für französische Verhältnisse, relativ geräumig, ruhig und haben sogar einen geschlossenen Kleiderschrank. Der Besuch der Marathonmesse ist der nächste Fixpunkt. Zu Fuß sind es dorthin knapp fünf Minuten. Diese Zeltstadt wurde am großen "Place Massena" aufgebaut. Als Startgeschenk gibt es einen schönen Rucksack. Nach dem Abendessen in einem nahe gelegenem Restaurant, beschließen wir den Tag mit einem Spaziergang über die, schon weihnachtlich geschmückte Haupteinkaufsstraße "Avenue Jean Medecin".


Sa, 19.11.  -  
Es ist etwas bewölkt, leicht windig, aber immer noch mild, als ich um 07:15 Uhr vor das Hotel trete. Willi und ich absolvieren einen 30 minütigen Lockerungslauf entlang der "Promenade des Anglais". Es ist unglaublich, wie viele Läufer, Radfahrer und Walker sich schon frühmorgens hier tummeln. Auch ein ganzes Rudel Kenianer - morgen wahrscheinlich auf den Plätzen 1 bis 10 - kommt uns entgegen. Ganz Harte schwimmen sogar im offenen Meer ! Bei einem gemütlichen Frühstück stärken wir uns anschließend für den Tag. Ein Sightseeing - Highlight ist die "Cathédrale Orthodoxe Russe Saint-Nicolas". Es ist das größte russische Gotteshaus außerhalb Russlands. Adelsfamilien und Mitglieder des Zarenhofes ließen sich im 19. Jh. hier nieder und 1912 wurde diese Kirche, mit den markanten grünen Zwiebeltürmen, eingeweiht. Der nächste Weg führt uns zum Hafen, wo zahllose luxuriöse Jachten vor Anker liegen. Mit Ausblick auf all diesen Prunk genießen wir bei 20°C unseren Mittagssnack - ein Baguette. Bei diesen Temperaturen läßt sich auch der stürmische Wind - es sind Spitzen über 60 km/h - leicht ertragen. Wir umrunden den Burgfelsen "Le Chateau" und gelangen wieder in die Altstadt. Zahlreiche Märkte - mit Obst, Gemüse oder Trödelwaren - prägen das Bild. Dazu sitzen hunderte Sonnenhungrige vor den Cafe´s und lassen es sich gut gehen. Stress scheint man hier nicht zu kennen. Warum auch? Um 15:00 Uhr lege ich im Hotel die Beine hoch, während die Ladys auf eine weitere Shoppingtour gehen. Bemerkenswert ist, dass es hier in Nizza mehr Bekleidungsgeschäfte für Herren als für Damen zu geben scheint. Vorallem für Willi ein "Paradies". Beim Abendessen erzählt jede Gruppe nochmals von seine Tageserlebnissen. Da wir morgen früh raus müssen, ist gleich nach dem Abendessen Bettruhe angesagt.


So, 20.11.  -  Wettkampftag!
Eigentlich eine schlimme Bezeichnung. Ich taufe das Ganze kurzfristig in "Lauferlebnistag" um, das trifft es besser. In unserem Hotel ist man sehr zuvorkommend. Schon kurz nach 05:00 Uhr bietet man das komplette Frühstücksbuffet an. Durch die frühe Startzeit müssen wir auch zeitig was essen. Als ich die ersten Schritte vor das Haus mache, hat es bereits angenehme 10°C bei nur leichtem Wind. Um 07:15 Uhr sind alle zum Abmarsch bereit. Der Startbereich liegt nur ca. 1 km vom Hotel entfernt auf der "Promenade des Anglais". An jedem anderen Sonntag - Morgen im Spätherbst dürfte es hier beschaulicher zugehen. Doch heute strömen aus den vielen Seitenstraßen Scharen an Läufern mit ihren Begleitern in Richtung Meer. Bei der nunmehrig vierten Austragung des "Marathon des Alpes Maritimes" von Nizza nach Cannes werden auch die franz. Meisterschaften durchgeführt. Über 10.000 Starter drängen sich in die Startblöcke. Nach einer kurzen Aufwärmphase stellen Dieter und ich uns ganz vorne, gleich hinter der Elite, auf. Plötzlich hinter uns ein Aufschrei ! Walter Gstallnig, ein Kärntner Laufurgestein aus St. Veit steht vor uns. Er läuft heute hier seinen 33.(!) Marathon  -  in DIESEM Jahr, wohlgemerkt ! Pünktlich um 08:00 Uhr fällt der Startschuss. In der Anfangsphase gibt es sehr viel zu sehen. Links das Meer, wo allmählich die Sonne vom Horizont empor steigt und rechts die zahlreichen Luxushotels, allen voran das neu renovierte "Negresco", in dem früher auch die berühmte Tänzerin Isadora Duncan residierte.

Km 1  -  4´15´´. Punktlandung ! Ich habe mich heute zu einer anderen Taktik entschlossen: Sehr defensiver Start und erst später (wenn möglich) beschleunigen. Es geht ständig dem Meer entlang.

Km 5  -  21´04  Der Flughafen wird passiert. Auf elend langen Geraden durchlaufen wir die nächste Stadt: "Saint-Laurent-du-Var"  

Km 10  -  42´14´´  Rechter Hand bestaune ich die große Pferderennbahn "Hippodrome". In "Cagnes-sur-Mer" führt die Strecke nun kurzfristig weg vom Meer.

Km 15  -  1h02´55´´ Hier stehen sehr viele Menschen und zahlreiche Musikgruppen machen Stimmung (Lärm !). An einem Wendepunkt sehe ich Dieter, der ca. 300 m vor mir läuft. Zwei riesige Wohnkomplexe, die uns schon beim Anflug aufgefallen sind, werden umrundet. Es folgt nun ein ruhigerer Abschnitt. Auf der nächsten, langen Gerade kommt der aufgefrischte Wind zwar von hinten, doch die Sonne hat die Luft schon auf warme 18°C aufgeheizt.

Km 21,1 Halbzeit  -  1h28´45´´ Ich schwitze heftig und nehm das erste Gel mit etwas Wasser zu mir. Dieter ist zu diesem Zeitpunkt ca. 50 Sekunden vor mir unterwegs. Die Schmerzen auf meiner, ohnehin schon getapten, linken Oberschenkelrückseite werden stärker. Ich versuche mich, wie Willi mir gestern riet, mit positiven Gedanken abzulenken. Wir sind nun in "Antibes". Durch das alte Stadttor und eine steile Rampe führte die Straße rund um die Festung. Erst nach Anfeuerungsrufen der Läufer zeigen auch die wenigen Zuschauer etwas Enthusiasmus.

Km 25  -  1h50´10´´  Das Rennen ist für mich hier faktisch zu Ende. Alles positive Denken hat leider nichts genutzt. Der Muskel macht komplett "zu" und schmerzt schon beim leichten Trab. Mir kommen die Worte meines Masseurs in den Sinn, der noch am Mittwoch meinte: "Hör auf wenn es zu schlimm wird, sonst könnte das eine langwierige Verletzung nach sich ziehen!" Aufgeben kommt für mich natürlich nicht in Frage, ich muss ja irgendwie ins Ziel, wo unsere Betreuer warten. Den langen Anstieg bei Km 28 (Ähnlich dem "Heartbreakhill in Boston !) nehme ich gehend.

Km 30  -  2h11´39´´  Das Streckenprofil ist nun deutlich hügeliger als auf der ersten Hälfte. Durch mein reduziertes Tempo habe ich nun Zeit, mir die luxuriösen Villen und Hotels am Streckenrand etwas genauer anzuschauen. Hier ist augenscheinlich der Geldadel zu Hause. Unwirklich und gleichzeitig amüsant wirken auf mich auch die weihnachtlich geschmückten Palmen links und rechts der Straße. Adventsstimmung bei Sonne und 18°C!

Bei Km 35 durchlaufen wir "Vallauris Golfe-Juan". Seit einiger Zeit wundere ich mich über die klebrige, rot-braune Substanz an meiner linken Hand. Es ist Blut. Von mir unbemerkt, hat die Uhr eine tiefe Fleischwunde am Handgelenk verursacht. Das passt voll ins Bild dieses verkorksten Tages. Ein Helfer montiert mir die Uhr auf die rechte Hand. Die Gehpausen werden nun noch häufiger. ich will nur noch ohne weitere Verletzung ins Ziel.

Bei Km 40 erreichen wir Cannes. Die Zuschauerdichte ist nun wieder deutlich höher. Durch ein schmales Spalier von Menschen erreicht man am "Boulevard de la Croisette" das Ziel, unmittelbar vor dem noblen "Intercontinental Carlton". Die Endzeit - nur der Form halber: 3h17´00´´ Dieter ist es deutlich besser ergangen. Erst bei Km 39 muss er den 3h-Pacemaker vorbeilassen. Mit 3h02´51´´ läuft er seinen zweit besten Marathon. Im Ziel bekommen wir eine schöne Finishermedaille, ein Funktionsshirt (...im LG - grün !), sowie einen großen Papiersack mit saisonalen Früchten der Region (Äpfel, Birnen, Orangen, Weintrauben,Mandarinen) - toll!

Fazit : Die Strecke ist landschaftlich sicher sehr reizvoll. Der ersten, sehr flachen Hälfte mit langen Geraden folgt ein ziemlich welliger zweiter Teil, was die Zeitambitionen vieler Starter erheblich gebremst haben dürfte. Ein Shuttlezug der "SNCF" bringt uns in 40 Minuten wieder zurück nach Nizza. Das gemeinsame Abendessen in der Altstadt beschließt diesen ereignisreichen Tag.


Mo, 21.11.  

Da wir den Rückflug erst am Abend haben, wollen wir uns heute das nahegelegene Fürstentum Monaco anschauen. Am Hauptbahnhof erklärt mir die Damen am Ticketschalter, dass die Bahn heute streikt. Was nun? Wir sind ja flexibel und planen kurzfristig um. Nun muss uns halt der Bus ans Ziel bringen. Die Nr. 100 startet am Place Massena und bringt uns in 50 Minuten um € 1,-- (!) nach Monaco. Im Nachhinein betrachtet war der Streik für uns ein Glücksfall. Wir sind zwar dreimal so lange unterwegs als mit der Bahn, sehen aber viel mehr von der wunderschönen Landschaft. In schwindel erregender Höhe wurden Prachtvillen in das steinige Gelände gebaut - Meerblick inklusive. Um 11:30 Uhr erreichen wir den zweit kleinsten Staat der Welt. Sofort geht´s auf den hochaufragenden Felsen wo der Grimaldi -Palast steht und jeden Tag um 11:55 Uhr die Wachablöse stattfindet. Ein gern besuchtes Spektakel. Von hier oben hat man den besten Ausblick in alle Himmelsrichtungen und vorallem auf den Hafen, wo alljährlich Ende Mai die Formel 1 - Motoren dröhnen. Wenige Meter entfernt, in der "Cathedrale de Monaco" liegen Fürst Rainer und die 1982 tödlich verunglückte Fürstin Gracia Patricia begraben. Neben dem anschließenden, ozeanographischem Museum erstreckt sich ein wunderbarer Park mit blühender Flora. Man fühlt sich wie im Garten Eden ! Über den Hafen und einem Nachbau von Juan Manuel Fangio´s Sieger-Mercedes aus dem Jahre 1955 erreichen wir wieder den Ausgangspunkt. Im voll besetzen Bus geht die Fahrt über die enge Bergstraße zurück nach Nizza, wo wir halbwegs durchgebeutelt ankommen. Mit dem, vom Hotel abgeholten Gepäck fahren wir zum Flughafen, wo die Fokker 70 der Austrian um 19:57 Uhr abhebt und über pünktlich, bei -3°C (Für uns ein Kälteschock !), in Wien landet.


Conclusio: Eine Reise wie in eine andere Welt - nur 80 Flugminuten von Österreich entfernt. Willi sprach sogar von den schönsten (Urlaubs-) Tagen seines Lebens. Wer im Herbst oder Frühjahr dem tristen Grau und der Kälte entfliehen will, dem kann ich diese Destination nur wärmstens empfehlen.


       
158 Bilder verfügbar in der Fotogalerie
   
 
   
ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT