Wo Romeo Julia küsste

Ein Reise- und Wettkampfbericht
Oktober 2013
Verona / ITA
 
 

Freitag, 4.10.2013 

Es ist wieder Marathon – Reisezeit. Für meinen 49. Lauf über diese Distanz habe ich mir diesmal den „12. Verona Marathon“ ausgesucht. Um 06:20 Uhr fahren meine Frau Lilli und ich nach Villach, wo wir die 10 anderen Teilnehmer dieser Reise treffen. Es sind dies die beiden Kärntner „Mr. Willfit“ Willi Pinter aus Kühnsdorf und seine Lotte, sowie die acht Oststeirer aus Anger/ Umgebung Peter, Dorli, Töchterchen Julia, das Brüderpaar Ewald & Erwin, der rasende Vzlt. Franz, sowie das junge Liebespaar Sonja & Mario. Über Udine, Venedig, Padua erreichen wir gegen Mittag unser Hotel, das 4* Best Western „CTC Verona“. Ein absoluter Glücksgriff ! Zwar direkt neben der A4 gelegen, aber absolut ruhig, mit großen, schönen Zimmern, tollem Frühstücksbuffet und einem unschlagbaren Preis (€ 25,--pP und Nacht !). Es ist bewölkt bei rund 12 °C. Nach dem Check-In bringen uns drei Taxis ins ca. 5 km entfernte Zentrum zur „Piazza Bra“. Es ist dies einer der größten Plätze Europas mit dem Highlight der „Arena di Verona“ gleich nebenan. Dieses Amphitheater, wo die berühmten Opernfestspiele stattfinden, ist das drittgrößte seiner Art auf der Welt. In dem Oval befindet sich am Sonntag der Zieleinlauf – ein einmaliges Ambiente ! Touristisch ist hier noch eine Menge los. Dementsprechend viele Straßenkünstler buhlen da um den Applaus und vor allem das Kleingeld der Leute. Im Freien sitzend genießen wir Pizza & Pasta vor einem netten Lokal. Danach spazieren wir über die „Via Mazzini“  zum weltberühmten „Casa di Giulietta“. Das Haus beherbergt im Innenhof den wohl bekanntesten Balkon der Welt. Shakespeares tragische Geschichte von „Romeo & Julia“ spielt hier. Sie erzählt von der großen Liebe eines Pärchens aus zwei verfeindeten Familien, den Montagues (Romeo) und den Capulets (Julia). Obwohl die Personen nie gelebt haben, ist der Hype darum ungebrochen. Es soll Glück bringen, wenn man der bronzenen Julia, welche im Innenhof steht, an die rechte Brust fasst. Wir tun es den vielen Besuchern gleich und entsprechend abgegriffen, dafür aber goldig glänzend zeigt sich dieses Körperteil dann auch. Entlang des Flusses „Fiume Adige“, der die Stadt teilt, schlendern wir zur Kirche von „Santa Anastasia“. An dieser größten Kirche Veronas (ital. Gotik) wurde über 200 Jahre gebaut. Die üppige Innenausstattung ist unbedingt einen Besuch wert. Zurück bei der Arena gehen wir entlang des „Corso Porta Nova“ zur Marathon-Expo, die sich im Messezentrum befindet. Da es dort nicht wirklich viel zu sehen gibt, ist das Procedere rasch erledigt und es geht zurück zum Hotel. Das Abendessen im Hotelrestaurant beschließt diesen Tag.

Samstag, 5.10.2013 

07:00 Uhr. Ich bin mit den Steirern zum Morgenlauf verabredet. Ein Blick aus dem Fenster verheißt aber nichts Gutes. Es regnet stark, bei 10°C. Nur Peter erscheint zum Treffpunkt und wir beschließen, doch lieber trocken bleiben zu wollen und dafür das Frühstück ausgiebiger zu nutzen.  Lotte & Willi machen sich danach auf zum Gardasee, wo sie sich den schönen Garten bei André Heller´s Villa ansehen wollen. Während unsere Frauen in das große, nebenanliegende EKZ marschieren, erkunden wir Männer den besten und kürzesten Weg zum Messezentrum. Von dort fahren morgen früh die Shuttlebusse Richtung Start. Den Großteil des Tages verbringen wir in der Shopping – Mall. Da ist es zumindest trocken. Nach einer Erholungsphase im Hotel treffen wir uns um 19:00 Uhr zum Abendessen. Ein sehr stilvolles und günstiges Lokal, nur wenige Minuten vom Hotel entfernt, beschert uns einen schönen Tagesabschluss. Als wir gegen 21:15 Uhr das Restaurant verlassen, hat sich das Wetter gebessert. Trocken und 14 °C. Begleitet vom permanentem, geräuschvollem, nicht abstellbarem Gebläse der Klimaanlage schlafe ich ein.

So, 6.10.2013  -  Wettkampftag!

Der frühe Startzeitpunkt bringt es mit sich, dass ich um 05:30 Uhr im Zimmer frühstücken muss. 06:30 Uhr – ein paar letzte Fotos und dann geht´s mit zwei Autos zum Messegelände. Zahlreiche Shuttles bringen die Läufer in den Startort „Sant´Ambrogio di Valpolicella“. Es ist noch finster, als wir einen dieser Busse besteigen. In rasanter Fahrt, alle Schlaglöcher ignorierend und das mit kaputten Stoßdämpfern düst der Chauffeur mit uns dahin. Gut durchgeschüttelt erreichen wir nach 30 Minuten den kleinen Ort. In einer großen Halle verbringen wir die restlichen 1,5 Stunden. 15 Minuten vor dem Start gebe ich den Kleidersack ab und stell mich in den grünen Startblock. Es ist bewölkt, bei 12 °C und wenig Wind – eigentlich ideal ! Kurz vor dem Startschuss gibt es noch eine Gedenkminute wegen des Flüchtlingsdrama vor der ital. Insel Lampedusa. Pünktlich um 08:45 Uhr werden dann rund 1.600 Läufer des Marathons und der 30 km – Strecke mit einem lauten Kanonenschuss ins Rennen geschickt. Km 1  -  4´02´´  Flotter Beginn, aber es geht auch leicht bergab. Nach dem engen Startkorridor hat sich das Feld schon in die Länge gezogen. Ich versuche mich bei einer Gruppe an zu hängen. Klappt dann auch gleich ganz gut. Nach rund vier Kilometern stellt sich uns die erste Steigung in den Weg. Beim Hinunterlaufen verliere ich das Gel, welches ich mir in die langen Stützstrümpfe gesteckt habe. Scheibenkleister !!! Aber zurücklaufen will ich deswegen auch nicht.  Km 5 – 20´39´´ Es geht nun wieder relativ flach dahin. Durch kleine Dörfer und große Weingärten. Viel Gegend aber kaum Publikum. Km 10  -  41´10´´  Bei dieser Zwischenzeit liege ich auf Rang 40 und bin mit der Leistung bis dahin sehr zufrieden. Es „rollt“! „Meine“ Gruppe umfasst 15 Läufer – durchwegs Italiener – die sich andauernd lautstark unterhalten. Ich bin froh, dem konstanten 4´08´´er-Schnitt schweigend folgen zu können. Km 15  -  1h01´54´´  Seit einiger Zeit sehe ich aus dem Augenwinkel einen Läufer im grünen Dress hinter mir und tatsächlich, es ist Ewald, den ich noch vor dem Start am Oberschenkel tapen musste und nun ist er schneller als geplant unterwegs. Nach 18 km überqueren wir auf einer schmalen Brücke den Fluss, dem wir zuvor einige Zeit entlang gelaufen sind. Es folgt der nächste, längere Anstieg. Km 20  -  1h22´56´´  Ewald läuft zu mir auf. Mein Magen macht mir urplötzlich enorme Probleme. Es zwickt und zwackt ganz heftig. Ich winke Ewald nach vor und muss von da an mein Tempo drastisch reduzieren. HM  -  1h28´05´´ Ich bin zwar fast zwei Minuten schneller als bei meiner Durchgangszeit Ende April in Madrid, aber da die Schmerzen sich nicht wirklich bessern, habe ich innerlich schon auf „Schadensbegrenzung“ und „nur noch Durchkommen“ umgestellt. Km 25  -  1h46´12´´  Wir erreichen „Chievo“ – einen Vorort von Verona und die Strecke wird hügeliger. Teilweise müssen wir uns die Straße mit den Autos teilen, aber durch das Improvisationsgeschick und die Rigorosität der Helfer funktioniert das reibungslos. Ich nähere mich der Messe, wo sich das Ziel des 30 km – Laufs (Mario !) befindet und von wo aus das 10 km – Rennen (Willi !) gestartet wurde. Km 30  -  2h09´43´´  Sonja, die hier auf ihren Liebling wartet, feuert mich frenetisch an. Aber was muss ich sehen – neben ihr steht Ewald, ganz enttäuscht. Sein linker Oberschenkel hat doch nicht ganz gehalten und so beendet er hier das Rennen. Auf der anderen Straßenseite geht es nun die gleiche Strecke wieder zurück. Erwin, Peter und Mario kommen mir entgegen. Wir befinden uns nun zwar schon im näheren Stadtzentrum, aber die Unterstützung des Publikums fehlt praktisch zur Gänze. Mir geht es jeden Kilometer schlechter – will nur noch ankommen. Km 35  -  2h34´52´´  Das ständige Auf und Ab ist Gift für Magen und Beine. Die Gehpausen nehmen zu. Bei Km 38 laufen wir direkt an der Arena vorbei. Das Ziel wäre soooo nah, doch es gilt noch eine 4 km – Schleife zu bewältigen. Dass hier Lilli, Lotte und Willi lauthals brüllen, bekomme ich nur am Rande mit. Km 40  -  3h02´36´´  Seit einiger Zeit hat Regen eingesetzt, der immer intensiver wird. Auf dem rutschigen Kopfsteinpflaster geht es nun durch die schmalen Gassen der Innenstadt. Im Minutentakt fahren mir die Krämpfe in die Waden. Wirklich Schade ! Durch die guten Leistungen im Herbst habe ich mir schon etwas mehr erwartet. Gut jedoch, dass ich es gleich da bin. Der Zieleinlauf ist das eigentliche Highlight des Rennens. Hier stehen erstmals wirklich viele Menschen und Dorli reicht mir kurz vor dem Finish die rot-weiß-rote LG – Fahne, mit der ich mitten in die Arena ein laufe. Der Platzsprecher erkennt mich als Läufer „from AUSTRIA“ und tut das auch lautstark kund. Nach 3h15´02´´ hat das Leiden – bei meinem 49. Marathon – ein Ende. Es gießt nun wie aus Kübeln. Trotz der 17°C fühlt sich das dann relativ frisch an. Rasch ziehe ich mich in die Katakomben zurück, um endlich wieder trockene Kleidung am Körper zu haben. Ich habe mein Zeitziel zwar nicht erreicht, trotzdem hält sich meine Enttäuschung in Grenzen. Der Geist war sehr willig, doch wenn der Körper nicht mitspielt, hilft alles nichts. Die anderen Mitglieder unserer Gruppe sind mit ihrem Abschneiden sehr zufrieden. Erwin läuft 3h23´01´´, Peter 3h24´08 und Franz 4h28´00´´. Mario war zum ersten Mal so lange unterwegs und schafft die 30 km in guten 2h27´23´´. Die sportlich wertvollste Leistung erbringt Willi. Mit einem Minimum an Training schafft der die 10 km in sehr guten 38´49´´ ! Ein Shuttlebus bringt uns von der Arena wieder zurück zur Messe, wo unsere Autos stehen. Nach einer wärmenden Dusche im Hotel tritt die steirische Abordnung die Rückreise an. Wir vier Kärntner bleiben noch eine Nacht. In einem urigen Altstadt – Lokal lassen wir den Tag gemütlich ausklingen. Ein traurige Kuriosität wird erst später bekannt. Der offizielle Fotograf der Veranstaltung, der mit seinem Team auf der Strecke und im Ziel tausende Fotos machte, wird nach dem Lauf sämtlicher Kameras und Chipkarten beraubt, sodass es keine offiziellen Fotos dieses Events gibt!

Fazit:

Wer einen Landschaftslauf mit finalem, städtischen Sightseeing bevorzugt, der ist in Verona gut aufgehoben. Der Stimmung wegen muss man nicht dorthin. Die Stadt als solche ist aber auf jeden Fall eine Reise wert. Bei schönem Wetter bietet auch der nahe Gardasee hervorragende Ausflugsmöglichkeiten. Mit unsere Gruppe – obwohl noch nie in dieser Zusammensetzung unterwegs – machte es auch sehr viel Spaß. Es beweist einmal mehr, dass Steirer und Kärntner sehr gut miteinander auskommen. Bei der übernächsten LG – Reise, Mitte August 2014 nach Helsinki, werden wieder einige aus dieser Truppe mit von der Partie sein. Ich konzentriere mich aber ab sofort auf mein „50er – Jubiläum“ beim Los Angeles – Marathon am 9. März 2014 !


       
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