Di, 17.10. - Ich bin aufgeregt wie ein Kind vor dem ersten
Schultag. Es geht endlich los. Nach monatelangen Vorbereitungen starten
wir unseren Trip nach USA/ Canada mit dem Höhepunkt "Chicago-Marathon".
Wir, d.h. Frau Lilli, Schwester Eva und ich. Von St. Paul aus geht es
mit dem Auto über Salzburg nach München, wo wir die Nacht in
der Nähe des Flughafens verbringen.
Mi,
18.10. 05:00 Uhr - das Schrillen des Weckers durchdringt die
Ruhe im Hotel Regent in Hallbergmoos. Der Shuttle-Bus des Hotels bringt
uns zum Flughafen "Franz Josef Strauss". Es ist nebelig und
daher heben wir erst mit 75´iger Verspätung ab. Nach exakt
86 Minuten laden wir in London-Heathrow. Nun aber flott. Doch auch ein
rekordverdächtiger Lauf von Terminal 1 nach 4 konnte nicht verhindern,
dass wir unseren Anschlussflug noch erreichen. Sehr freundlich und unbürokratisch
wurden wir auf den nächsten Flug umgebucht. 15:09 Uhr - nach einer
weiteren zweistündigen Verspätung (Verschärfte Kontrollen
der Security und der stark überlastete Flugraum über Heathrow)
hebt unsere Boing 747 endlich ab. Die Flugroute führt über Grönland
und Canada nach Chicago. Nach fast 9 Stunden laden wir am O´Hare
Airport. Es ist regnerisch und windig. Nach einigen US-typischen Sicherheitschecks
(Fingerprint & Foto!) fahren wir mit der S-Bahn nach Downtown Chicago.
Eine preisgünstige (1,50 Dollar) und sichere Möglichkeit. Wir
bekommen einen ersten Eindruck über die enormen Dimensionen dieser
Stadt (Im Großraum Chicago leben ca. 9 Millionen Menschen, mehr
als in Österreich). Nach 20-stündiger Reise treffen wir im Hotel
"Best Western Grant Park" ein. Der Abend hätte fast noch
ein unrühmliches Ende gefunden. Auf einem Fußgängerübergang
(bei grün!) konnten sich Eva und ich nur durch einen waghalsigen
Sprung vor einer wild gewordenen Autofahrerin retten. Das war knapp !
Um 21:00 Uhr Ortszeit (04:00 MEZ!) fallen wir müde ins Bett.
Do, 19.10. - Um die schweren Füße von der
langen Anreise zu lockern, beginne ich den Tag mit einem gemütlichen
5 km-Läufchen im angrenzenden Grant Park. Es ist windig, stark bewölkt
bei 40°F (ca. 4,4 °C). Beim Frühstück in einer netten
"Bakery" treffen wir auf die österreichische Laufgruppe
von Ilse Dippmann (Organisatorin des Frauenlaufs in Wien). Es folgt, der
mich anstrengenste Teil des Tages. Beim Einkaufsbummel entlang der "Magnificent
Mile" bringen Gucci, Armani, GAP, Prada & Co die Augen der Frauen
zum leuchten. Mir wurde nur vor dem Shop von "Victoria´s Secret"
etwas warm...Nach dem Lunch im Chicago Plaza marschieren wir zum "Navy
Pier" - eine Art "Würstlprater" von Chicago. Auf dem
Heimweg kommen wir am berühmten "Buckingham Fountain" (bekannt
aus der TV-serie "Al Bundy"), mit seinen gewaltigen Wasserspielen,
vorbei. Die Stichworte zum Tag: "Big ist beautiful - Sirenengeheul
- Security everywhere - Windy City".
Fr,
20.10. - der bislang freundlichste Tag in Chicago beginnt. Es
hat zwar wieder nur 4°C, doch es ist wolkenlos. Mein 9km-Morgenlauf
führt mich vorbei am "Shedd Aquarium", dem "Adler
Planetarium" und dem "Soldier Field" (Das größte
Football-Stadion der Welt - Heimat der Chicago Bears). Unterwegs treff
ich einige Kenianer und auch die spätere Marathon-Siegerin Berhane
Adere (2h20´42´´) aus Äthiopien. Einer der schönsten
und beeindruckensten Läufe, die ich je in einer fremden Stadt absolviert
habe! Ein alter, gelber, klappriger original "Schoolbus" bringt
uns dann zur Startnummernabholung beim "Mc Cormick Place". Eine
Expo in einem Ausmaß, wie ich sie noch nie erlebt habe. Eine riesige
Halle, zahlreiche Goodys und viele günstige Angebote. Der ehemalige
britische Marathon-Weltrekordler Steve Jones signiert mir ein Poster.
Fast vier Stunden schlendern wir herum und treffen auf Rene van Zee, Physiotherapeut
- Journalist und Trainer des 3-fachen St. Paul Siegers Dick van den Broeck.
Das absolute Highlight des Tages folgt am Abend. Alle Österreicher
sind in die Privatresidenz des österr. Generalkonsul DDr. Zischg
zur Pasta Party geladen. Vom 67. Stockwerk des "Lake Point Tower"
bietet sich uns ein sensationeller Blick über das nächtliche
Chicago. Eine ungezwungene, tolle Veranstaltung. Gegen 22:00 Uhr spazieren
wir entlang der Michigan-Ave. zurück ins Hotel.
Sa, 21.10. 9°C, windig und stark bewölkt, aber
der angekündigte Regen ist noch nicht da. Unser Besichtigungsprogramm
führt uns heute in den Millennium Park mit dem beeindruckenden "Pritzker
Music Pavilion" und dem neuen Wahrzeichen der Stadt "The Chicago
Bean". Eine 10m hohe und 20m Breite Skulptur aus Nirosta. Was auch
hier auffällt: Sehr gepflegte Parks und Gartenanlagen. Generell ist
die Stadt ausgesprochen sauber (...zumindest Downtown...). Mittlerweile
hat es angenehme 16°C. Den Rest des Tages ist Ruhe angesagt. Abends
beginnt es zu regnen.
So,
22.10. - Wettkampftag: 4:30 Uhr - der Wecker klingelt. Ich muss
rechtzeitig noch was essen - nüchtern läuft man keinen Marathon.
Ein Blick aus dem Fenster - es ist feucht, der Wind bläst kräftig
bei 4°C. 6:45 Uhr - noch bei Dunkelheit verlassen wir das Hotel -
mir ist trotz Überhose und Jacke kalt. Es sind nur 500m zum Startbereich
- von überall her strömen Massen von Menschen herbei und trotzdem
geht alles sehr relaxed vor sich. Die Ordner sind freundlich und kompetent.
Die unendlich vielen Mobil-WC´s sind stark frequentiert. 7:30 Uhr
- ich begebe mich in meinen Startbereich "Competitiv" - gleich
hinter der Elite - nur wenige Meter von der Startlinie entfernt. Ein langer
Plastiksack schützt mich vor der Kälte. 7:50 Uhr - plötzlich
wird es still - ein Country Sänger schmettert, in den USA unvermeidlich,
die Hymne. 7:59 Uhr - der Startschuss mit rund 35.000 Mitstreitern hinter
mir. Nach 500m durchlaufen wir einen Tunnel - die einzig windstille Passage
an diesem Tag. Km 1 - 4´08´´ etwas zu langsam, aber
ich will es ja kontrolliert angehen. Auf den ersten Kilometern durch das
Zentrum trägt uns die Woge der Begeisterung. Über 1,5 Millionen
Menschen sollen, bei DEM Wetter an der Strecke stehen. "Good job!"
- "You´re looking good!" - "Keep on pushing!"
sind nur einige der Slogans die man immer wieder hört. Km 5 - 19´33´´
Ich bin nun auf Kurs, muss aber aufpassen. Die Strassen sind schlecht
- viele Löcher.
Km 10 - 39´24´´ Der Wind nimmt zu. Ich versuche den
Windschatten anderer Läufer zu nutzen.
Km 15 - 59´12´´ Gleich danach, bei Meile 9 der "Austria
Point". Rot-Weiss-Rote Fahnen werden geschwungen. Hier gibt es eine
österr. Bäckerei. Km 20 - 1h19´13´´ Wir sind
wieder im Stadtzentrum. Am Fuße des Sears Towers ist Halbzeit (1h23´38´´).
Lilli und Eva stehen da - viele Leute - Geschrei - toller "Support".
Immer wieder Plakate, die auf die beabsichtigte Kanditatur Chicagos für
Olympia 2016 hinweisen. Auf den folgenden drei Km in Richtung Westen bläst
uns der Wind, wie prognostiziert, voll ins Gesicht. Über 30 Meilen
(ca. 50km/h) sollen es gewesen sein.
Km 25 - 1h39´44´´ Wir durchqueren "Little Italy".
Bands - Cheerleadergruppen - Kinder zum abklatschen. Km 30 - 2h00´17´´
Mein linker hinterer Oberschenkel schmerzt. Wir passieren "Pilsen"
(...eine tschechische Enklave...) und Chinatown. Km 35 - 2h21´26´´
Mir tut alles weh, doch ich laufe weiter - überhol viele, denen es
augenscheinlich noch dreckiger geht. Bei Km 38 gehe ich selbst ein paar
Schritte um besser trinken zu können. Was dann folgt, sind die härtesten
letzten 4 km meiner Marathon-Karriere. Auf der endlos langen Michigan
Avenue bläst nun der Sturm unerbittlich von vorne. Der Km-Schnitt
sinkt weiter ab. Km 40 - 2h43´59´´. Es kann sich noch
ausgehen. Lilli hat mir eine Zeit von 2h55´ vorhergesagt. Ich will
sie nicht enttäuschen. 600m vor dem Ziel stellt sich nochmals eine
steile Brücke vor uns auf - gemein - das tut jetzt richtig weh. Noch
die letzten Reserven mobilisiert und nach 2h53´35´´
über die Ziellinie. Emotionen brechen aus mir heraus. Nach zuletzt
vielen Rückschlägen wieder eine herzeigbare Zeit. Meine fünftbeste
- im 32. Marathon. Endrang 613 und dazu Bester der 64 klassierten Österreicher.
Die heiße Dusche im nahen Hotel bringt wieder Leben in den ausgekühlten
Körper. Heute werde ich gut schlafen.
Mo, 23.10. - 4:45 Uhr ist Weckruf. Wir müssen früh
auschecken. Die "Blue Line" bringt uns zum O´Hare Airport.
Auch morgens ist dort schon die Hölle los. Die Sicherheitschecks
sind streng, aber freundlich. Als Marathonfinisher wird man auch heute
noch vom Personal beglückwünscht. Die United Airlines bringt
uns in 68´nach Toronto. Die Zeitdifferenz zu Österreich beträgt
nun nur noch 6 Stunden. Am Pearson Airport übernehmen wir unseren
Mietwagen für die nächsten Tage, einen blitzblauen Chrysler
PT Cruiser. Wir fahren 130 km entlang des Ontario Sees nach "Niagara
Falls", wo wir am späten Nachmittag noch das Naturschauspiel
dieser mächtigen Wasserfälle bewundern können. Die "Horseshoe
Falls" mit Regenbogen in der Dämmerung - einfach kitschig aber
schön . Trotz Nebensaison - viele japanische Touristen, denen es
wie uns viel zu kalt ist (2°C, eisiger Wind). Die Nacht verbringen
wir im schönen "Clarion President Hotel".
Di, 24.10. - Der heutige Tag verspricht ein besonderes
Abenteuer zu werden. Es regnet, bei +3°C als wir westwärts ins
Landesinnere fahren. Wir haben kein Hotel vorgebucht, wollen sehen wohin
es uns verschlägt. Schnurgerade Highways und Landstraßen, dazu
die geradezu furchterregent großen Trucks, die uns mit rasendem
Tempo überholen. Ich halte mich an die erlaubten 90 km/h (!). Viel
Gegend - riesige Farmen mit unüberschaubaren Feldern. Für einen
Zentimeter auf der Strassenkarte braucht man hier locker eine Stunde.
Der Wind fegt mit Sturmstärke über die leicht hügelige
Landschaft, als wir abends die Kleinstadt Stradford erreichen. Hier liegt
noch etwas Schnee! Unfassbar - zu Hause soll es +20°C haben. Auf der
Suche nach einer Bleibe für die Nacht werden wir im "Rosecourt
Motel" fündig. Klein, abgewohnt, aber günstig und halbwegs
sauber. Parkplatz direkt vorm Schlafzimmer - genau so, wie man es in den
Filmen immer sieht. Das muss man auch einmal erlebt haben, denke ich.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl ob der doch sehr einfachen Türverriegelung
schlafen wir ein.
Mi, 25.10. - Noch in der Dunkelheit verlassen wir das
Motel. Die Route führt uns über New Hamburg nach Kitchener.
In "Williams Coffee Pub" frühstücken wir. Endlich
wieder Keramik-Häferl und richtiges Besteck! Am späten Nachmittag
erreichen wir unsere Unterkunft in Toronto, das schöne "Comfort
Hotel Airprt North". Bei einem lockeren 5km-Lauf erkunde ich die
Gegend.
Do, 26.10. - Brrrr, 0°C aber nur leicht bewölkt. Es dürfte
ein schöner Tag werden. Mit der Subway fahren wir nach Downtown Toronto
zu dem Wahrzeichen der Stadt, dem CN-Tower. Mit 1815 feet (= 553,33 m)
ist es das größte freistehende Gebäude der Welt. Der Panoramalift
braucht bis in die Höhe von 346 m gerade einmal 58 Sekunden (22 km/h!).
Auf dieser ersten Aussichtsplattform gibt es einen Glasboden, durch den
man, Schwindelfreiheit vorausgesetzt, senkrecht bis zum Fuß des
Turmes hinterschauen kann. Mit einem weiteren Lift erreicht man den "Sky
Pod" in 447 m Höhe. Der Rundumblick von hier oben ist unbeschreiblich.
An klaren tagen sieht man bis zu 160 km weit! Wieder am Boden geht es
in die "Unterwelt". Wenn es im Winter bis zu -30°C bekommt
spielt sich ein Großteil des Lebens wohltemperiert unter der Stadt
ab. Auf mehreren Etagen besteht ein riesiges Labyrinth von Wegen mit Geschäften,
Food-Courts, u.v.m. Abertausende tummeln sich hier täglich. Im ältesten
Kaufhaus Kanadas "The Bay" müssen wir noch einen Zwischenstopp
machen. Ein Dutzend muskelbepackter "Fire-Fighter" signiert
dort den Feuerwhr-Kalender 2007. Die Damenwelt steht Schlange. Ein überfüllter,
multikulturell besetzter Bus (...nichts für klaustrophob veranlagte...)
bringt uns zurück ins Hotel. Die letzte Nacht in Kanada beginnt.
Fr, 27.10. - Ein kurzer Blick auf den örtlichen
Wetterkanal zeigt mir: +1°C, nur 7 km/h Wind. Super - nichts wie raus.
Vor dem langen Rückflug laufe ich noch gemütliche 8 km hinein
in den Sonnenaufgang. Nach dem späten Check-Out, verbringen wir noch
einige Zeit in der nahen "Woodbine Shopping Mall", bevor uns
der Shuttle-Bus zum Flughafen bringt. 20:18 Uhr Ortszeit hebt die Boing
777 der Britsh Airways ab. Heftiger Rückenwind (200km/h) verkürzt
unsere Flugzeit deutlich.
Sa, 28.10. - Nach einem Zwischstopp in London, bringt
uns ein Airbus A319 nach München. Dort erwarten uns mit 19°C
geradezu "tropische" Temperaturen. Rückfahrt mit dem Auto
nach St. Paul. So aufregend die Reise auch war, es ist immer wieder schön
nach Hause zu kommen.
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