Go West!
Ein Reise- und Wettkampfbericht
Oktober 2006
Chicago / USA
 
 

Di, 17.10. - Ich bin aufgeregt wie ein Kind vor dem ersten Schultag. Es geht endlich los. Nach monatelangen Vorbereitungen starten wir unseren Trip nach USA/ Canada mit dem Höhepunkt "Chicago-Marathon". Wir, d.h. Frau Lilli, Schwester Eva und ich. Von St. Paul aus geht es mit dem Auto über Salzburg nach München, wo wir die Nacht in der Nähe des Flughafens verbringen.

Mi, 18.10. 05:00 Uhr - das Schrillen des Weckers durchdringt die Ruhe im Hotel Regent in Hallbergmoos. Der Shuttle-Bus des Hotels bringt uns zum Flughafen "Franz Josef Strauss". Es ist nebelig und daher heben wir erst mit 75´iger Verspätung ab. Nach exakt 86 Minuten laden wir in London-Heathrow. Nun aber flott. Doch auch ein rekordverdächtiger Lauf von Terminal 1 nach 4 konnte nicht verhindern, dass wir unseren Anschlussflug noch erreichen. Sehr freundlich und unbürokratisch wurden wir auf den nächsten Flug umgebucht. 15:09 Uhr - nach einer weiteren zweistündigen Verspätung (Verschärfte Kontrollen der Security und der stark überlastete Flugraum über Heathrow) hebt unsere Boing 747 endlich ab. Die Flugroute führt über Grönland und Canada nach Chicago. Nach fast 9 Stunden laden wir am O´Hare Airport. Es ist regnerisch und windig. Nach einigen US-typischen Sicherheitschecks (Fingerprint & Foto!) fahren wir mit der S-Bahn nach Downtown Chicago. Eine preisgünstige (1,50 Dollar) und sichere Möglichkeit. Wir bekommen einen ersten Eindruck über die enormen Dimensionen dieser Stadt (Im Großraum Chicago leben ca. 9 Millionen Menschen, mehr als in Österreich). Nach 20-stündiger Reise treffen wir im Hotel "Best Western Grant Park" ein. Der Abend hätte fast noch ein unrühmliches Ende gefunden. Auf einem Fußgängerübergang (bei grün!) konnten sich Eva und ich nur durch einen waghalsigen Sprung vor einer wild gewordenen Autofahrerin retten. Das war knapp ! Um 21:00 Uhr Ortszeit (04:00 MEZ!) fallen wir müde ins Bett.


Do, 19.10. - Um die schweren Füße von der langen Anreise zu lockern, beginne ich den Tag mit einem gemütlichen 5 km-Läufchen im angrenzenden Grant Park. Es ist windig, stark bewölkt bei 40°F (ca. 4,4 °C). Beim Frühstück in einer netten "Bakery" treffen wir auf die österreichische Laufgruppe von Ilse Dippmann (Organisatorin des Frauenlaufs in Wien). Es folgt, der mich anstrengenste Teil des Tages. Beim Einkaufsbummel entlang der "Magnificent Mile" bringen Gucci, Armani, GAP, Prada & Co die Augen der Frauen zum leuchten. Mir wurde nur vor dem Shop von "Victoria´s Secret" etwas warm...Nach dem Lunch im Chicago Plaza marschieren wir zum "Navy Pier" - eine Art "Würstlprater" von Chicago. Auf dem Heimweg kommen wir am berühmten "Buckingham Fountain" (bekannt aus der TV-serie "Al Bundy"), mit seinen gewaltigen Wasserspielen, vorbei. Die Stichworte zum Tag: "Big ist beautiful - Sirenengeheul - Security everywhere - Windy City".

Fr, 20.10. - der bislang freundlichste Tag in Chicago beginnt. Es hat zwar wieder nur 4°C, doch es ist wolkenlos. Mein 9km-Morgenlauf führt mich vorbei am "Shedd Aquarium", dem "Adler Planetarium" und dem "Soldier Field" (Das größte Football-Stadion der Welt - Heimat der Chicago Bears). Unterwegs treff ich einige Kenianer und auch die spätere Marathon-Siegerin Berhane Adere (2h20´42´´) aus Äthiopien. Einer der schönsten und beeindruckensten Läufe, die ich je in einer fremden Stadt absolviert habe! Ein alter, gelber, klappriger original "Schoolbus" bringt uns dann zur Startnummernabholung beim "Mc Cormick Place". Eine Expo in einem Ausmaß, wie ich sie noch nie erlebt habe. Eine riesige Halle, zahlreiche Goodys und viele günstige Angebote. Der ehemalige britische Marathon-Weltrekordler Steve Jones signiert mir ein Poster. Fast vier Stunden schlendern wir herum und treffen auf Rene van Zee, Physiotherapeut - Journalist und Trainer des 3-fachen St. Paul Siegers Dick van den Broeck. Das absolute Highlight des Tages folgt am Abend. Alle Österreicher sind in die Privatresidenz des österr. Generalkonsul DDr. Zischg zur Pasta Party geladen. Vom 67. Stockwerk des "Lake Point Tower" bietet sich uns ein sensationeller Blick über das nächtliche Chicago. Eine ungezwungene, tolle Veranstaltung. Gegen 22:00 Uhr spazieren wir entlang der Michigan-Ave. zurück ins Hotel.



Sa, 21.10. 9°C, windig und stark bewölkt, aber der angekündigte Regen ist noch nicht da. Unser Besichtigungsprogramm führt uns heute in den Millennium Park mit dem beeindruckenden "Pritzker Music Pavilion" und dem neuen Wahrzeichen der Stadt "The Chicago Bean". Eine 10m hohe und 20m Breite Skulptur aus Nirosta. Was auch hier auffällt: Sehr gepflegte Parks und Gartenanlagen. Generell ist die Stadt ausgesprochen sauber (...zumindest Downtown...). Mittlerweile hat es angenehme 16°C. Den Rest des Tages ist Ruhe angesagt. Abends beginnt es zu regnen.

So, 22.10. - Wettkampftag: 4:30 Uhr - der Wecker klingelt. Ich muss rechtzeitig noch was essen - nüchtern läuft man keinen Marathon. Ein Blick aus dem Fenster - es ist feucht, der Wind bläst kräftig bei 4°C. 6:45 Uhr - noch bei Dunkelheit verlassen wir das Hotel - mir ist trotz Überhose und Jacke kalt. Es sind nur 500m zum Startbereich - von überall her strömen Massen von Menschen herbei und trotzdem geht alles sehr relaxed vor sich. Die Ordner sind freundlich und kompetent. Die unendlich vielen Mobil-WC´s sind stark frequentiert. 7:30 Uhr - ich begebe mich in meinen Startbereich "Competitiv" - gleich hinter der Elite - nur wenige Meter von der Startlinie entfernt. Ein langer Plastiksack schützt mich vor der Kälte. 7:50 Uhr - plötzlich wird es still - ein Country Sänger schmettert, in den USA unvermeidlich, die Hymne. 7:59 Uhr - der Startschuss mit rund 35.000 Mitstreitern hinter mir. Nach 500m durchlaufen wir einen Tunnel - die einzig windstille Passage an diesem Tag. Km 1 - 4´08´´ etwas zu langsam, aber ich will es ja kontrolliert angehen. Auf den ersten Kilometern durch das Zentrum trägt uns die Woge der Begeisterung. Über 1,5 Millionen Menschen sollen, bei DEM Wetter an der Strecke stehen. "Good job!" - "You´re looking good!" - "Keep on pushing!" sind nur einige der Slogans die man immer wieder hört. Km 5 - 19´33´´ Ich bin nun auf Kurs, muss aber aufpassen. Die Strassen sind schlecht - viele Löcher.
Km 10 - 39´24´´ Der Wind nimmt zu. Ich versuche den Windschatten anderer Läufer zu nutzen.
Km 15 - 59´12´´ Gleich danach, bei Meile 9 der "Austria Point". Rot-Weiss-Rote Fahnen werden geschwungen. Hier gibt es eine österr. Bäckerei. Km 20 - 1h19´13´´ Wir sind wieder im Stadtzentrum. Am Fuße des Sears Towers ist Halbzeit (1h23´38´´). Lilli und Eva stehen da - viele Leute - Geschrei - toller "Support". Immer wieder Plakate, die auf die beabsichtigte Kanditatur Chicagos für Olympia 2016 hinweisen. Auf den folgenden drei Km in Richtung Westen bläst uns der Wind, wie prognostiziert, voll ins Gesicht. Über 30 Meilen (ca. 50km/h) sollen es gewesen sein.
Km 25 - 1h39´44´´ Wir durchqueren "Little Italy". Bands - Cheerleadergruppen - Kinder zum abklatschen. Km 30 - 2h00´17´´ Mein linker hinterer Oberschenkel schmerzt. Wir passieren "Pilsen" (...eine tschechische Enklave...) und Chinatown. Km 35 - 2h21´26´´ Mir tut alles weh, doch ich laufe weiter - überhol viele, denen es augenscheinlich noch dreckiger geht. Bei Km 38 gehe ich selbst ein paar Schritte um besser trinken zu können. Was dann folgt, sind die härtesten letzten 4 km meiner Marathon-Karriere. Auf der endlos langen Michigan Avenue bläst nun der Sturm unerbittlich von vorne. Der Km-Schnitt sinkt weiter ab. Km 40 - 2h43´59´´. Es kann sich noch ausgehen. Lilli hat mir eine Zeit von 2h55´ vorhergesagt. Ich will sie nicht enttäuschen. 600m vor dem Ziel stellt sich nochmals eine steile Brücke vor uns auf - gemein - das tut jetzt richtig weh. Noch die letzten Reserven mobilisiert und nach 2h53´35´´ über die Ziellinie. Emotionen brechen aus mir heraus. Nach zuletzt vielen Rückschlägen wieder eine herzeigbare Zeit. Meine fünftbeste - im 32. Marathon. Endrang 613 und dazu Bester der 64 klassierten Österreicher. Die heiße Dusche im nahen Hotel bringt wieder Leben in den ausgekühlten Körper. Heute werde ich gut schlafen.



Mo, 23.10. - 4:45 Uhr ist Weckruf. Wir müssen früh auschecken. Die "Blue Line" bringt uns zum O´Hare Airport. Auch morgens ist dort schon die Hölle los. Die Sicherheitschecks sind streng, aber freundlich. Als Marathonfinisher wird man auch heute noch vom Personal beglückwünscht. Die United Airlines bringt uns in 68´nach Toronto. Die Zeitdifferenz zu Österreich beträgt nun nur noch 6 Stunden. Am Pearson Airport übernehmen wir unseren Mietwagen für die nächsten Tage, einen blitzblauen Chrysler PT Cruiser. Wir fahren 130 km entlang des Ontario Sees nach "Niagara Falls", wo wir am späten Nachmittag noch das Naturschauspiel dieser mächtigen Wasserfälle bewundern können. Die "Horseshoe Falls" mit Regenbogen in der Dämmerung - einfach kitschig aber schön . Trotz Nebensaison - viele japanische Touristen, denen es wie uns viel zu kalt ist (2°C, eisiger Wind). Die Nacht verbringen wir im schönen "Clarion President Hotel".


Di, 24.10. - Der heutige Tag verspricht ein besonderes Abenteuer zu werden. Es regnet, bei +3°C als wir westwärts ins Landesinnere fahren. Wir haben kein Hotel vorgebucht, wollen sehen wohin es uns verschlägt. Schnurgerade Highways und Landstraßen, dazu die geradezu furchterregent großen Trucks, die uns mit rasendem Tempo überholen. Ich halte mich an die erlaubten 90 km/h (!). Viel Gegend - riesige Farmen mit unüberschaubaren Feldern. Für einen Zentimeter auf der Strassenkarte braucht man hier locker eine Stunde. Der Wind fegt mit Sturmstärke über die leicht hügelige Landschaft, als wir abends die Kleinstadt Stradford erreichen. Hier liegt noch etwas Schnee! Unfassbar - zu Hause soll es +20°C haben. Auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht werden wir im "Rosecourt Motel" fündig. Klein, abgewohnt, aber günstig und halbwegs sauber. Parkplatz direkt vorm Schlafzimmer - genau so, wie man es in den Filmen immer sieht. Das muss man auch einmal erlebt haben, denke ich. Mit einem etwas mulmigen Gefühl ob der doch sehr einfachen Türverriegelung schlafen wir ein.

Mi, 25.10. - Noch in der Dunkelheit verlassen wir das Motel. Die Route führt uns über New Hamburg nach Kitchener. In "Williams Coffee Pub" frühstücken wir. Endlich wieder Keramik-Häferl und richtiges Besteck! Am späten Nachmittag erreichen wir unsere Unterkunft in Toronto, das schöne "Comfort Hotel Airprt North". Bei einem lockeren 5km-Lauf erkunde ich die Gegend.
Do, 26.10. - Brrrr, 0°C aber nur leicht bewölkt. Es dürfte ein schöner Tag werden. Mit der Subway fahren wir nach Downtown Toronto zu dem Wahrzeichen der Stadt, dem CN-Tower. Mit 1815 feet (= 553,33 m) ist es das größte freistehende Gebäude der Welt. Der Panoramalift braucht bis in die Höhe von 346 m gerade einmal 58 Sekunden (22 km/h!). Auf dieser ersten Aussichtsplattform gibt es einen Glasboden, durch den man, Schwindelfreiheit vorausgesetzt, senkrecht bis zum Fuß des Turmes hinterschauen kann. Mit einem weiteren Lift erreicht man den "Sky Pod" in 447 m Höhe. Der Rundumblick von hier oben ist unbeschreiblich. An klaren tagen sieht man bis zu 160 km weit! Wieder am Boden geht es in die "Unterwelt". Wenn es im Winter bis zu -30°C bekommt spielt sich ein Großteil des Lebens wohltemperiert unter der Stadt ab. Auf mehreren Etagen besteht ein riesiges Labyrinth von Wegen mit Geschäften, Food-Courts, u.v.m. Abertausende tummeln sich hier täglich. Im ältesten Kaufhaus Kanadas "The Bay" müssen wir noch einen Zwischenstopp machen. Ein Dutzend muskelbepackter "Fire-Fighter" signiert dort den Feuerwhr-Kalender 2007. Die Damenwelt steht Schlange. Ein überfüllter, multikulturell besetzter Bus (...nichts für klaustrophob veranlagte...) bringt uns zurück ins Hotel. Die letzte Nacht in Kanada beginnt.

Fr, 27.10. - Ein kurzer Blick auf den örtlichen Wetterkanal zeigt mir: +1°C, nur 7 km/h Wind. Super - nichts wie raus. Vor dem langen Rückflug laufe ich noch gemütliche 8 km hinein in den Sonnenaufgang. Nach dem späten Check-Out, verbringen wir noch einige Zeit in der nahen "Woodbine Shopping Mall", bevor uns der Shuttle-Bus zum Flughafen bringt. 20:18 Uhr Ortszeit hebt die Boing 777 der Britsh Airways ab. Heftiger Rückenwind (200km/h) verkürzt unsere Flugzeit deutlich.

Sa, 28.10. - Nach einem Zwischstopp in London, bringt uns ein Airbus A319 nach München. Dort erwarten uns mit 19°C geradezu "tropische" Temperaturen. Rückfahrt mit dem Auto nach St. Paul. So aufregend die Reise auch war, es ist immer wieder schön nach Hause zu kommen.

   
 
   
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