Dresden –extrem!
Ein Reise- und Wettkampfbericht
Oktober 2007
Dresden / GER
Nach den beiden Hitze - Schlachten in Padua (I) und Stockholm (S) hoffte ich, bei meinem dritten Marathon 2007 endlich gute Bedingungen vorfinden zu können. Es geht zu den "Ossis" zum 9. Dresden Marathon.
 

Do 18.10.2007:

05:10 Uhr fahren meine Frau Lilli und ich zur Autobahnstadion Völkermarkt und holen unseren Mitreisenden vom HSV Bleiburg Walter POGORIUTSCHNIG (nachfolgend kurz "Pogo" genannt) ab. Es geht über die Pack zum Flughafen Graz-Thalerhof. Kurz vor 08:00 Uhr hebt die Boing 737-700 der TUIfly ab. Eine knappe Stunde später landen wir in Köln. Unser Anschlussflug nach Köln geht erst in ein paar Stunden, deshalb beschließen wir ins Zentrum zu fahren. Da an diesem Tag die deutschen Zugsführer streikten, blieb nur das Taxi als Alternative. Der armenisch stämmige Taxler erzählt uns stolz, dass er erst letzte Woche, trotz Verkühlung, den Köln-Marathon in sechs Stunden absolviert hat. Ja, auch über solche Zeiten kann man sich freuen. Wir besichtigen den Kölner Dom - sehr beeindruckend. Nach dem Essen wollen wir zum Flughafen retourfahren - wieder entfällt der Zug und wieder bleibt nur das Taxi. Ein teures Vergnügen! Mit einem A319 der Germanwings gehts nach Dresden, wo wir um 17:08 Uhr bei 8°C landen. Auch hier wird gestreikt - keine S-Bahn fährt. Daher, erraten, wieder rein ins Taxi, welches uns direkt ins Sheraton Hotel "Four Points Königshof" bringt. Ein absolut tolles, nobles Haus in einer Villengegend (...hier haben früher sicher die DDR - Bonzen gelebt!) zum Minimaltarif (€ 40,--/ Nacht!). Unsere Anreise hat zwar einen ganzen Tag gedauert, dafür haben wir schon allerhand gesehen und erlebt. Ein gemütliches Abendessen im Hotel beschließt diesen langen Tag.

Fr 19.10.2007:

Nach dem Frühstück nutze ich die Gelegenheit und besuche eine neue Firma außerhalb von Dresden, die ich ab Jänner durch meine berufliche Veränderung vertreten werde. Lilli & Pogo begeben sich auf einen ersten Erkundungstrip in die Altstadt. Mittags treffen wir uns wieder und besichtigen den beeindruckenden "Zwinger". Hier residierte das schillerndste Paar der sächsischen Geschichte: Anna Constantia Gräfin von Cosel sowie Friedrich August I (1670-1733) genannt "der Starke". Er war Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Auf dem anschließenden Weg zur Startnummernabholung im Congress Center gibt es April-Wetter. Sonne, Regen und Hagel (!) wechseln sich ab. Dazu heftiger Wind - ungemütlich! Auf dem Rückweg stärken wir uns mit einer lokalen Spezialität (Dresdner Christstollen), passieren die "Semperoper" und staunen über die Pracht der völlig wieder aufgebauten "Frauenkirche". Der 13. Feber 1945 steht für die größte Katastrophe in der Dresdner Geschichte. In wenigen Stunden legten britische und amerikanische Bomberverbände die Stadt in Schutt und Asche. Es war die Nacht vom Faschingsdienstag zum Aschermittwoch. Die Bombem hinterließen ein 15 qkm großes Trümmerfeld. In den Jahrzehnten danach wurden viele wertvolle Baudenkmäler wieder völlig rekonstruiert. Überhaupt ist Dresden ein sehr geschichtlicher Boden. Carl Maria von Weber schrieb hier die deutsche Nationaloper "Der Freischütz" - Richard Wagner wirkte als Hofkapellmeister - und auch Erich Kästner und Karl May lebten an der Elbe. Weiters wurden hier der Büstenhalter, der Kaffeefilter, der Teebeutel und der Bierdeckel erfunden. Und nicht Schweizer, wie man denken könnte, sondern der Dresdner Friedrich Timaeus produzierte 1839 hier die erste Milchschokolade der Welt. Mit der lokalen Spezialität "Soljanka" (= eine pikante Suppe mit Fleisch, Wurst, Zwiebeln, Gurke und Sauerrahm) beschließen wir kulinarisch den Abend.


Sa 20.10.2007:

Beim Frühstück erklärt uns Pogo (Ob seiner optimalen Läuferfigur auch "Der weiße Kenianer" genannt!), wie er sich minutiös auf den Tag "X" vorbereitet hat. Für sein Vorhaben erstmals die 3 Stunden - Schallmauer zu knacken hat er jeden Trainingskilometer genau aufgezeichnet und analysiert. Wir beschließen, einen lockeren Lauf zu absolvieren, um den Tonus (Muskelspannung) aufrecht zu erhalten. Auch für mich ist es wichtig zu sehen, wie sehr mich die Verkühlung, die mich seit zwei Wochen hartnäckig plagt, noch behindert. Unsere 8 km - Runde führt vom Hotel in den nahen "Großen Garten" - die grüne Lunge der Stadt. Wir passieren das Palais, das Dynamo - Stadion und die "gläserne Manufaktur" von VW (Dort wird die Luxuslimosine "Phaeton" gebaut). Nach 45 Minuten sind wir wieder im Hotel und ich blicke etwas optimistischer auf den morgigen Tag. Nachmittags ist Ruhe angesagt. Um 16:00 Uhr treffen Robert KNAUDER ("Exil-St.Pauler" des HSV Bleiburg) und sein Vater Paul ein. Sie sind von Klagenfurt über Leipzig angereist. Im gemütlichen Restaurant "Homage" wird bei Kaffee und Kuchen die Taktik fürs Rennen besprochen. Die obligaten Nudeln genießen wir beim Chinesen nebenan, bevor wir uns um 21:00 Uhr zu Bett begeben.

So 21.10.2007 - Wettkampftag:

05:00 Uhr - ich bin munter, hab ungewöhnlich gut geschlafen. Erster Blick aus dem Fenster - es regnet - und wie! 06:30 Uhr Frühstück. Wir diskutieren den "Dresscode" - was zieht man bei solchen Bedingungen an? Unsere beiden Betreuer Lilli und Paul(i) werden instruiert, wo sie zu stehen und uns mit Gel zu versorgen haben. Auch für sie wird es ein anstrengender, feuchter Vormittag. Ein älteres Ehepaar aus Augsburg sitzt hinter mir und liest den Aufdruck der LG St. Paul auf meiner Jacke. Begeistert erzählen sie vom kürzlichen Besuch in St. Paul. Zufälle gibts!
08:15 Uhr - wir treffen uns in der Lobby zum Abmarsch. Als wir das Hotel verlassen gießt es in Strömen, es hat max. 1° - 2°C. Schnell sind wir mit der S-Bahn im Startbereich. Um nicht noch mehr auszukühlen wärmen wir uns bis kurz vor dem Start in einem Kaffeehaus.
09:45 Uhr - geschützt durch eine Regenfolie absolvieren wir ein kurzes Aufwärmprogramm.
09:55 Uhr - wir begeben uns in den Startblock A. 10:00 Uhr - Startschuss! Es geht gleich über eine Elbe - Brücke. Auf den ersten Metern versuche ich noch jeder größeren Lache auszuweichen, doch wenn der Nebenmann voll durchläuft und dich von oben bis unten anspritzt, macht das wenig Sinn. Km 1 - 4´06´´ Robert neben mir - Pogo etwas versetzt. Ab km 2 sind wir auf Kurs - ich setze mich etwas ab. Km 5 - 20´57´´ Trotz dieses Sauwetters stehen relativ viel Leute auf der Strecke. Zahlreiche Trommlergruppen geben enthusiastisch ihr bestes. Km 10 - 41´42´´ Mehr trau ich mir heute wegen der Verkühlung nicht zu. Es ist sehr viel Wasser auf der Straße. Zahlreiche Pflastersteine und unebene Passagen fordern zudem die Konzentration. Km 12 - im "Großen Garten" laufe ich auf einen Bludenzer Bundesheer - Major auf und bilde fortan mit ihm für die nächsten 15 km eine Laufgemeinschaft. Gemeinsam passieren wir die gläserne Manufaktur.
Km 15 - 1h 02 ´37´´ Der Schnitt pendelt sich bei 4´10´´ ein. Wir entdecken eine Gemeinsamkeit. Mein Mitläufer arbeitet in der Walgaukaserne Bludesch, in der ich mehrmals im jahr geschäftlich zu tun habe. Zufälle gibt’s! Km 20 - 1h24´31´´ Die Halbmarathonläufer laufen links ins Ziel (...ich beneide sie...) und wir gehen auf die zweite Runde. Lilli reicht mir, wie vereinbart, mein Powergel. HM in 1h 28´ 41´´. Das wird knapp mit unter 3 Stunden, denke ich.
Km 25 - 1h45´41´´ Der Schnitt ist weiter konstant, doch mein Körper kühlt immer mehr aus, ich friere fürchterlich. Km 27 - Plötzlich - hinter mir eine Stimme - Robert läuft zu uns auf. Er liebt solche Bedingungen und macht für mich noch einen starken Eindruck. Wir durchlaufen ein Nobelviertel. Viele Villen - fast könnte man "Schlösser" sagen. Kurz darauf muss ich abreißen lassen. Meine Muskulatur macht, ob der Kälte und des Windes nicht mehr mit. Nun zieht auch Pogo vorbei, doch seine Körpersprache war bei weitem nicht mehr so positiv wie die von Robert. Km 30 - 2h09´55´´ Die Streckenabschnitte, welche man auf der ersten Runde noch so easy bewältigt hat, ziehen sich nun in unendliche Länge. Die Anfeuerungen der Zuschauer sind gut gemeint, helfen aber nicht wirklich. Bei Km 32 ertappe ich mich bei einem kurzfristigen Gedanken nach links abzubiegen - dann wäre ich in fünf Minuten im Hotel. Km 35 - 2h38´27´´ Letztes Jahr um diese Zeit in Chicago erging es mir, bei ähnlichen Bedingungen, deutlich besser. Nur der Gedanke bald im Trockenen & Warmen zu sein treibt mich noch an. Die Gehpausen werden länger. Km 40 - 3h 11´ 21´´ Eine letzte Brücke muss noch überwunden werden. Zieleinlauf nach 3h 24´ 23´´ - doch die Zeit ist mir heute so was von egal. Ich will nur rein ins Congress Center und mich trocken legen - gar nicht so leicht mit steifgefrorenen Fingern. Robert konnte seine Pace bis zum Schluss halten und verfehlte mit 3h00´24´´ die magische "Schallmauer" nur denkbar knapp. Die Verbesserung seiner Bestzeit um sechs Minuten (...wie schon im April in Padua...) stellt aber einen weiteren Quantensprung dar. Toll! Pogo kann mit seiner zweitbesten Marathonzeit von 3h 08´ 44´´ auch durchaus zufrieden sein. Mit trockenen Kleidern stärken wir uns mit einer Pasta. Auf dem Rückweg ins Hotel kommt dann die Sonne raus - eigentlich ein Hohn ! Nach einer heißen Dusche kommen langsam die Lenensgeister auch in meinen Körper wieder zurück.


Robert KNAUDER 3h 00´ 24´´ 71. von 1.374 Gesamt/ 16. M35
Walter "POGO" 3h 08´ 44´´ 110.Gesamt/ 20. M45
Armin WASNER 3h 24´ 23´´ 241. Gesamt/ 63. M40

Mo, 22.10.2007

Nach einer unruhigen Nacht (...zumindest für uns Marathonis...) checken wir aus. Heute wird nicht gestreikt, so verlässt der ICE den Hbf. Dresden pünktlich um 09:55 Uhr. Nach 75-minütiger Fahrzeit erreichen wir Leipzig. Es ist kalt, aber sonnig. Unser Hotel "Holiday Inn" befindet sich, angenehmerweise, direkt gegenüber dem Bahnhof. Vorallem Pogo geht heute sehr schwer - sein Bewegungsapparat kämpft noch schwer mit den Strapazen des gestrigen Tages. Wir begeben uns auf einen Stadtbummel - gaaanz langsam ! Leipzig, im zweiten Weltkrieg auch arg zerbombt, wurde mit viel Behutsamkeit wieder aufgebaut und ist am besten Wege dahin, seinem alten Ruf als "Klein-Paris" wieder gerecht zu werden. Die Einwohner sind stolz auf ihre berühmten Persönlichkeiten wie Bach, Goethe, Lessing, Schumann. In der Innenstadt besichtigen wir die Nikolaikirche, die Oper und das berühmte "Gewandhaus". Ein entspanntes Abendessen mit einem abschließenden Schluck Wein an der Hotelbar beendet diesen Tag.

Di 23.10.2007

Um 05:20 läutet der Wecker. Wir müssen früh raus um den Zug und den Flug zu bekommen. Über Köln geht es wieder in heimatliche Gefilde. Um 15:23 landen wir Klagenfurt. Fazit: Auf unserer fünftägigen Reise haben wir viel Geschichtliches über den Osten Deutschlands sehen und erfahren können. Für Robert und Pogo war der Trip auch sportlich lohnend. Ich werde meinen 36. Marathon am 6. April 2008 in Paris bestreiten. Da wird auch für mich wieder die Sonne scheinen - sicher! (Übrigens: Paris ist seit Anfang November 2007 AUSVERKAUFT! 35.000 Meldungen liegen vor – Wahnsinn!


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